Angst essen Seele auf

„Angst liegt nie in den Dingen selbst,
sondern darin,
wie man sie betrachtet“
-Anthony de Mello-

Isabell, eine junge fesche Frau, schlank, blond und sehr elegant angezogen, mit einer runden Sonnenbrille auf der Nase, sitzt neben mir auf der Bank in der Wintersonne und erzählt. Dabei wirkt sie etwas angespannt und ihre Körperhaltung ist rundlich nach vorne gebeugt. Fast möchte man meinen, sie starrt durch ihre Sonnenbrille ein fettes Loch in den mit Schnee bedeckten Boden.

Es gehe ihr gerade nicht gut, berichtet sie mir. Ständige Magenschmerzen und Übelkeit begleiten sie durch ihren Alltag, schon so lange.  Sie habe große Angst jemand könne zu viel von ihr fordern oder sie könne die Kontrolle verlieren, z.B. wenn ihr Chef in den Raum käme. Dann hätte sie Schwitzattacken, Schwindelgefühle und Beklemmungen. Ständige Hitze und anschließende Kältewellen würden über sie hereinbrechen. Wegen ihrer hohen Anspannung gehe sie regelmäßig zur Massage, allerdings helfe ihr das nur bedingt. Ein weiteres großes Problem sei, dass sie nicht einschlafen kann, bzw. wenn sie endlich schlafen würde, dann würde sie in der Nacht aufwachen und dann sei es auch vorbei mit dem Schlafen.

Sie nimmt ihre Brille ab und schaut mich an und jetzt kann man ihre kleinen Äuglein erkennen die mich müde und ausgelaugt anstarren. Sie hätte Angst vor allem und jedem und laut ihren Eltern, solle sie diese Angst einfach ignorieren oder aushalten.

Meine Gedanken gehen in Richtung Diagnose, leider ein Berufsschaden, hin zu einer generalisierten Angststörung bzw. einer psychosomatischen Erkrankung. Der Körper (griechisch: Soma) ist in den meisten Fällen gesund!

Jedoch sorgt die Psyche für Krankheitssymptome um wahrgenommen zu werden.
Die Seele drückt sich über den Körper aus!

Ich versuche ganz bei ihr zu sein und sie zu erfassen.

Angst als eine wichtige Funktion, als ein Warnsignal unseres Unterbewusstseins, nämlich dass irgendetwas im Leben verändert werden möchte. Solange diese Veränderung nicht eingetreten ist, helfen weder Medikamente noch Konfrontationstherapien, die Angst zu überwinden.

Übung:

  • Frage dich, wo ist eine Veränderung in deinem Leben überfällig?
  • Wo sagt dir dein Bauchgefühl, „ich muss hier raus“ und dein Verstand findet allerlei Gründe warum und wieso es gerade gut ist alles so zu lassen?

Es gibt jedoch auch körperliche Auslöser für eine Angsterkrankung, die dein Arzt abklären kann.

  • Eine Streptokokken-Infektion
  • Das Roemheld-Syndrom
  • Falsch dosierte Schilddrüsenmedikamente
  • Ein gestörter Zellstoffwechsel
  • Schwankungen des Blutzuckerspiegels
  • Allergische Reaktionen
  • Hormonschwankungen
  • Unverträglichkeit von Antidepressiva (Achtung, Antidepressiva niemals alleine abrupt absetzen, sondern immer unter ärztlicher Aufsicht!)

Jene Symptome gleichen denen einer Angsterkrankung!

So, wir sitzen immer noch auf der Bank im Schnee und die Sonne versucht warm zu erscheinen. Auf meine Frage, was denn die Angst für eine wichtige Aufgabe haben könne, schaut sie mich entrüstet an.

Ich frage weiter ob es etwas geben könnte, was sie nicht mehr vertrage? Sie berichtete mir ja von ihrem Chef. Ich frage weiter nach Beziehungen, Mobbingerfahrungen, Medikamenten, vergangenen Schocks und wie gut ihr Zugang zu ihrer Intuition ist.

Wer zu lange gegen sein Bauchgefühl und seiner Intuition handelt,
wird von seiner Seele aufmerksam gemacht.

Somit ist es ein schwerer Fehler, mit Medikamenten gegen eine Angsterkrankung vorzugehen. Die neuronalen Strukturen des Gehirns ändert man damit nicht. Es werden nur Symptome behandelt aber nicht die Ursachen!

Je länger eine Angststörung gar nicht, oder falsch behandelt wird, umso größer ist die Gefahr, dass sie sich ausweitet und immer mehr Bereiche des Lebens erfasst.

DIE ANGST DAUERHAFT ÜBERWINDEN

In der Therapie schaffen wir neue neuronale Verbindungen, um dem Gehirn die Grundlage der Angst zu entziehen. Neue synaptische Verbindungen werden aufgebaut, in denen Leichtigkeit und Gelassenheit ihren Platz bekommen. Dabei beziehen wir den Körper, das Verhalten, die Gedanken und die Emotionen mit ein. Übungszentriert erforschen wir Ursachen und Veränderungsmöglichkeiten.

Heute sitze ich wieder mit Isabell auf einer Bank, allerdings ist es September. Sie berichtet wie stolz sie sei, sich ihr Leben wieder zurückgeholt zu haben. Sie sei wesentlich entspannter und relaxter. Das sieht man ihr auch an. Sie kommt regelmäßig seit 2 Jahren in die Praxis und sieht mittlerweile ganz anders aus. Ihre Gesichtszüge haben sich entspannt und eine andere Frisur trägt sie auch. Sie kann ihre Skills anwenden und hat keine Angst mehr vor der Angst. Sie erzählt, wie sie sich auf sich Selbst konzentrieren könne, indem sie anders atme und nicht mehr alles kontrollieren müsse und vieles mehr. Manchmal ist alles für etwas gut. Sie habe gelernt zu vertrauen.  Dies hat natürlich einige Zeit gebraucht und der schwerste Schritt war die Kündigung, da hätte sie sich beinahe in die Hosen gemacht. Ihren ehemaligen Chef nicht mehr sehen zu müssen, ist der schönste Erfolg. Inzwischen sei sie selbständig und ihre eigene Chefin.

Was in der Therapie auch gelungen ist, waren Übertragungsphänomene in Verbindung zu ihrem Chef zu finden und zu lösen. Trotzdem ist sie begeisterte Selbständige.

Wir schließen heute die Therapie ab und ich wünsche Isabell alles Gute und viel Erfolg in ihrem Leben. Danke, dass du zu mir gefunden hast und wir gemeinsam so intensiv arbeiten konnten.

 

Manchmal ist es ganz dunkel
um uns herum kein Licht
kein Willen mehr zu sehen
unfähig für Bewegung
starr
nur die Gedanken,
die sich im Kreise drehen

Körper?
Bist du da?
bring mich von hinnen
Nur durch den Schmerz erkennbar
Durch Tränen
die über das Gesicht mir rinnen

Warum?
Und immer wieder ich?
Es bringt sich doch nichts mehr
Lasst mich doch in Ruh
ich will nur weg
kann nicht mehr

Zeit
umfasst mich
Zeit
ich lasse sie vergehen
Zeit
die Tränen trocknen langsam
Den Schmerz will ich nicht sehen.
Ich liege, gekrümmt, still
und lass die Zeit vergehen

1 Minute
1 Stunde
1 Tag
1 Monat
1Jahr
10 Jahre
30 Jahre
1 Sekund
50 Jahre
10 Sekunden
80 Jahre
5 Minuten
100 Jahre

So spricht zu mir und fühlt sich an
wie heilsam Liebe doch sein kann
warm und sanft
und zart und schön
göttliches Sein
kann nie vergehen
Erinnerung
an schönes Glück
kehrt in dich
so wunderbar zurück
mach deine Augen auf
und schau
die Welt ist anders als du denkst
mit Möglichkeiten
und schönen Zeiten

steh auf und schau dich um
wie viel Schönes wirst du sehn
wenn du danach strebst
deinen Blick vom Boden
hoch, zu den Anderen hebst

Bewege deine Hände
um andere zu berühren
lass dich von Köstlichkeiten
ab und zu verführen
hebe deinen Geist
und lass ihn lächeln
Neues, Schönes noch entdecken
und geh noch ein bisschen weiter
spring herum und tanze wieder
lass Musik in deine Glieder

doch bei allem was du tust
entscheide dich,
für dich
solange es dauert
immer wieder
entscheide dich
für das Leben,
wähle das Leben,
mit allem was dazugehört
entscheide dich
und mach dich nicht davon

entscheide dich
zu leben
denn das LEBEN ist da
triff die Entscheidung
und sag laut und deutlich
für alle hörbar:

„JA
ICH BIN HIER
ICH LEBE
ICH LIEBE
ICH LACHE“

-Ursula E. Kaufmann-

 

Literaturnachweis:
Psychotherapeuten Journal 4/2018